Eine Architektur im Einklang mit dem Markenökosystem

Unkategorisiert 06 Apr 2017

Architektur wurde einst als die Mutter aller Künste gelehrt. Dies mag im alten Rom womöglich seine Berechtigung gehabt haben. Doch es wird sie vielleicht überraschen, dass ich als Architekt anderer Meinung bin. Architekten beeinflussen zweifellos unser Leben; sie erschaffen die Welt, in der wir leben. Diesen Beruf auf einen Sockel zu stellen, ist jedoch eine veraltete Denkweise.

Die Architektur muss Veränderungen akzeptieren

Unsere Welt wird immer komplexer und verwobener, ganz wie ein Ökosystem. Die Architektur pflegte einst den Ton anzugeben im Konzert der Zivilisation. Im Laufe der Zeit hat sich jedoch ein neues Element herauskristallisiert, das unsere Gesellschaft und die physische Welt, in der wir leben, beeinflusst, einschließlich öffentlicher Räume, Arbeitsumgebungen und sogar unserer Häuser: die Marke.

Bevor man sich über diese Aussage empört und beginnt, defensiv zugunsten der traditionellen Rolle der Architektur zu argumentieren, ist es wichtig, zu erkennen, dass eine Marke so gut wie alles sein kann: Von einer kommerziellen Organisation, über eine Stadt, NGO, Gemeinde oder Person hin zu einer ganzen Nation. Die Marke als erstes Sprungbrett in die Materie zu betrachten, hat konkrete Auswirkungen auf Designprozesse, Bildungsinhalte und sogar den juristischen Bereich.

Es ist wichtig, zu erkennen, dass eine Marke so gut wie alles sein kann.

Aat Vos Aat Vos Creative Guide

Ruud Boer schuf ein Modell, das zeigt, wie ein typisches Markenökosystem aussieht, mit drei konzentrischen Kreisen, die sich um eine Mitte herum anordnen. Der Kern einer Marke umfasst Dinge wie ihre Werte, Mission und Persönlichkeit. Dieses Zentrum ist die ideelle Programmierung der Marke, die auch als die „Seele“ der Marke bezeichnet werden kann. Dazu gehören neben Mission, Werten und Persönlichkeit der Marke auch ihre Vision. Dies alles baut auf dem ursprünglichen Motiv der Marke auf, dem Grund für ihre Existenz. Dementsprechend ist ein von Simon Sinek entwickeltes Kernkonzept das „Why“ – das „Warum“ – auch Goldener Kreis genannt. Sinek weist darauf hin, dass der Grund, warum eine Marke auf eine bestimmte Art und Weise agiert, Einfluss darauf hat, was getan wird und wie es getan wird. Das „Warum“ ist das zentrale Unterscheidungsmerkmal einer Marke und hat die Macht, andere zu inspirieren und zu überzeugen, weil es die ursprüngliche, intrinsische Motivation einer Marke widerspiegelt.

Aus dieser Seele der Marke geht ein zweiter konzentrischer Kreis hervor. Dieser nächste Kreis beinhaltet Elemente, die die visuelle Identität, den Tonfall und sämtliche mit den Sinnen wahrnehmbare Dinge bestimmen. Der dritte Kreis schließlich umfasst vier Quadranten, die tragenden Säulen des Markendesigns. Diese Säulen beziehen sich auf Produkte und Dienstleistungen, auf die interne als auch die externe Kommunikation sowie auf das Unternehmen an sich. Persönlich glaube ich, dass den drei Kreisen von Boer ein weiterer Kreis hinzugefügt werden sollte: das Element der Assoziation. Unsere Markenassoziationen existieren auf einer tieferen, unterbewussten Ebene. Das Erste, was einem beim Gedanken an eine Marke in den Sinn kommt, sind impulsive Assoziationen, die die ideelle Identität der Marke bestimmen und verraten, wie wir wirklich über sie denken. Boers Modell ist ein ganzheitlicher Ansatz, ergänzt durch eine umschließende, alles verbindende Aura: das Verhalten. Selbst wenn allen Kreisen formal Rechnung getragen wurde, wird ohne ein Verhalten, das diesen inneren Kreisen dauerhaft gerecht wird, alles wertlos. Taten sagen mehr als Worte, und ohne Kohärenz und Konsistenz verliert eine Marke an Authentizität.

Brand Ecosystem Architecture
Modifiziertes Markenökosystemmodell, ursprünglich von Ruud Boer

Konsistenz = Effizienz

Früher konnte die Architektur es sich im Zentrum des Universums bequem machen, heute jedoch muss sie ihren Platz im Markenökosystem finden. Anstatt vollkommen auf eigene Faust zu agieren, handeln Architekten mit zunehmender Verantwortung für existierende Markenidentitäten. Das Markenverhalten wird von der Organisation bestimmt, einschließlich Dingen wie Kleiderordnung, Innenarchitektur oder Geschäftssitzwahl und -gestaltung. In dem Bewusstsein, dass die Organisation selbst Teil der Marke ist, haben Architekten die komplizierte Aufgabe, die Funktionsweise einer Organisation in materielle Elemente zu übersetzen. Eine Marke hat die Macht, Architekten die Richtung vorzugeben, wenn sie bereit sind zuzuhören. Architektur und Innenarchitektur, die den innersten Kreis einer Marke respektieren und repräsentieren, werden einer Marke zwei äußerst wertvolle Aspekte hinzufügen: Kohärenz sowie Konsistenz.

Markenerfolg auf Basis von Konsistenz führt zu Effizienz. Das Wissen um Ihre Ursprünge hilft Ihnen, Ihren kreativen Prozess zu steuern, z.B. durch die Gestaltung einer Geschäftszentrale, die die Identität Ihrer Marke effektiv widerspiegelt. Darüber hinaus erfordert die Akzeptanz des Markenaspekts als Ausgangspunkt auch einen Wandel in Bildungsstrategien. Kunsthochschulen könnten alle Berufe, von Grafikdesign bis zur Architektur, miteinander vereinen, indem sie sie auf das gemeinsame Fundament des Markenaspekts stellen. Multidisziplinäre Ansätze sind gefragt wie nie, da sie einer Marke helfen, sich über einen langen Zeitraum hinweg zu behaupten. Schließlich ist nichts frustrierender, als zu sehen, wie jemand anderes deine eigenen Ideen aufgreift. Der Schutz von Formen und Designs ist außerordentlich schwierig. Der rechtliche Schutz einer Marke ist da schon wesentlich einfacher.

Architekten sollten diesen Wandel im Denken akzeptieren und nicht nur um seiner selbst willen entwerfen und bauen, sondern auch verantwortungsbewusst auf den jeweiligen Kontext eingehen. Es ist an der Zeit, dass wir uns an unser (Marken-)Ökosystem anpassen.